Brosius-Gersdorf und der Schaukampf um die Verfassungsneutralität
Was früher Gutachten und Senatssitzungen erledigten, übernimmt heute die Talkshow: Frauke Brosius-Gersdorf, frisch gekürte Hoffnungsträgerin der SPD für das Bundesverfassungsgericht, ging bei Markus Lanz auf Schmusekurs – oder zumindest auf Sendung. Ob das ihre Nominierung gerettet hat? Eher hat sie bewiesen, dass man Verfassungsrichterqualitäten nun offenbar im TV-Studio nachweist. Verfassung, Volk und Vaterland – bitte einmal in die Kamera lächeln.
Denn statt Zweifeln den Wind aus den Segeln zu nehmen, pustete Brosius-Gersdorf gleich ein ganzes Sturmfeld los: Mit stocknüchterner Professorinnen-Mimik verkündete sie, sie wolle dem Bundesverfassungsgericht „nicht schaden“. Ein nobles Motiv – das leider implizit den Eindruck erweckt, dass schon jemand genau das befürchtet. Vertrauensvorschuss? Fehlanzeige. Wenn der eigene Rücktritt bereits Teil des Bewerbungsgesprächs ist, sollte man sich fragen, ob man überhaupt eingeladen war.
⚖️ Der moralische Maßstab ist ein Gummiband
Brosius-Gersdorf sieht sich als Hüterin der Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde, Gleichstellung – also allem, was in Deutschland sowieso schon auf jeder Wahlkampf-Serviette steht. Doch als Juristin mit dezidierten Meinungen zum Schwangerschaftsabbruch und staatlicher Fürsorge klingt sie nicht nach einer Richterin, sondern nach einer gesetzgeberischen Missionarin mit Richterrobe im Koffer.
Sie betont zwar, dass sie natürlich nicht für Abtreibung bis zur Geburt sei. Aber wehe, man liest ihre Fachartikel zu genau. Dann entdeckt man juristische Haarspaltereien mit ideologischer Verve – und plötzlich wird klar: Diese Frau liebt das Grundgesetz. Nur fragt man sich manchmal, welche Version davon.
📺 Lanz: Der neue Prüfungsausschuss?
Der Lanz-Auftritt war von vielen erwartet worden wie ein Finale – und endete wie eine müde Generalprobe. Mit viel Pathos, aber wenig Überzeugungskraft. Brosius-Gersdorf dozierte sich durch die Themen wie eine Erstsemester-AG-Leiterin mit Ambitionen auf den Lehrstuhl der öffentlichen Meinung. Lanz nickte, ließ laufen, fragte nett nach – aber die eigentliche Frage blieb unbeantwortet:
Wie soll eine Richterin neutral urteilen, die bereits als Meinungsträgerin in die Arena zieht?
Neutralität ist kein Mangel an Haltung – aber ein Übermaß davon in Talkshow-Form kann die richterliche Unabhängigkeit genauso zerfransen wie eine schlecht designte Wig.
🧨 Von Drohbriefen, Medienkampagnen und gefühlter Märtyrerschaft
Natürlich ist es perfide, dass Brosius-Gersdorf Drohungen erhielt – das verurteilt sich von selbst. Doch es mutet seltsam an, wenn sie selbst diese Tatsache zur moralischen Legitimation ihrer Kandidatur macht. Als sei das Maß an empfangenem Hass der neue Maßstab für richterliche Eignung. Ein bisschen mehr Stoizismus und ein bisschen weniger Dramaturgie, bitte.
Die begleitende Erzählung von der „gejagten Aufrechten“ ist jedenfalls ein Narrativ, das weniger nach Verfassungsgericht, als nach Netflix-Miniserie klingt.
🚫 Verfassungsgericht – oder politisches Feuilleton?
Am Ende bleibt der Eindruck, dass Brosius-Gersdorf bei Lanz nicht die neutrale Gelehrte präsentierte, sondern eine intellektuelle Aktivistin mit Hang zur medialen Selbstrechtfertigung. Ob das reicht, um in Karlsruhe den Hammer zu schwingen? Oder müsste man ihr lieber einen Podcast anbieten, vielleicht: „Urteile & Überzeugungen – mit Frauke“?
Die nächste Entscheidung liegt beim Bundestag. Und falls es doch nichts wird – bei Markus Lanz ist bestimmt bald wieder ein Platz frei.
Fazit:
Wer beim Bundesverfassungsgericht antritt, sollte das Grundgesetz kennen. Brosius-Gersdorf kennt es. Aber wer dort bleiben will, sollte auch den Unterschied zwischen juristischer Überzeugung und politischer Mission kennen. Und der lässt sich – Spoiler – nicht bei Lanz beweisen.