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Kanzler der Kehrtwenden: Merz bei Illner – und sein Kredit bei den Wählern

Es war der große Fernsehauftritt von Bundeskanzler Friedrich Merz bei Maybrit Illner – doch statt Glanz und Gloria gab es vor allem eines: einen Spagat zwischen früherem Draufhauen und neuem Regierungsrealismus, der an akrobatische Höchstleistungen erinnerte. Vom Taurus-Hardliner zum sicherheitspolitischen Schweigegelübde-Träger: Merz hat offenbar erkannt, dass Regieren kein Twitter-Thread ist. Dumm nur, dass das Publikum seine Gedächtnisse noch nicht formatiert hat.

Taurus? Lieber „Top Secret“

Noch vor wenigen Monaten brüllte Merz regelmäßig durch die Talkshows: Mehr Waffen, jetzt, sofort! Nun, mit der Kanzlermütze auf dem Kopf, heißt es plötzlich: „Sowas diskutieren wir nicht öffentlich.“ Warum? Putin könnte ja mithören! Dass die Wähler ebenfalls zuhören – und sich fragen, ob dieser Wandel Prinzip oder Panik ist – scheint ihm weniger Sorge zu bereiten. Glaubwürdigkeit? Ein Wort, das zwar viel gesagt wurde an diesem Abend, aber wenig geklärt wurde.

Vertrauen ist gut, Kanzler ist besser?

Illner bohrte nach: Wie glaubwürdig ist einer, der als Oppositionsführer forderte, was er als Kanzler verweigert? Die Antwort: ein windungsreicher Mix aus Staatsräson, NATO-Rücksicht und einem dezenten Seitenhieb auf die Medien. Doch genau hier beginnt das Problem: Wer ständig seine Haltung dreht wie ein Wetterhahn auf Ecstasy, darf sich nicht wundern, wenn sein Kredit bei den Wählern schrumpft wie das Vertrauen in Dieselversprechen.

Der Merz-Moment

Und so saß er da: Merz, der neue Kanzler, der sich zwischen Regierungspflicht und Vergangenheit verhedderte. Der Satz „Das habe ich so nie gesagt“ fiel verdächtig oft – als wäre der Kanzler selbst überrascht, was Merz früher so alles forderte. Es war der Versuch, staatsmännisch zu wirken – doch heraus kam ein Kanzler, der wirkt, als wolle er die eigene Rhetorik am liebsten redigieren.

Fazit: Wer Glaubwürdigkeit will, muss liefern – und zwar nicht nur im Taurus-Format. Der Kredit bei den Wählern ist kein Blankoscheck, sondern ein Konto, das durch klare Haltung gefüllt wird. Und gerade wirkt Merz eher wie ein Kontoauszug mit vielen Fußnoten.