Berlin, Mai 2025 – Es war der Paukenschlag, den die Republik angeblich gebraucht hat: Bundesinnenminister Alexander Dobrindt, frisch im Amt und frisch entschlossen, wollte den „Kontrollverlust beenden“. Die Devise lautete: Deutschland dicht machen! Nur dumm, dass sich in der ersten Woche dieser groß angekündigten „Migrationswende“ etwas ganz anderes zeigte – eine Art politisches Placebo mit Obergrenzenflair.
Denn während Dobrindt sich am Redepult des Bundestages aufplusterte wie ein Gockel im Blaulicht, der verkündet: „Jetzt wird zurückgewiesen, was das Grundgesetz hergibt“, zeigt der Blick auf die Realität ein eher tragikomisches Bild. Ganze 32 Menschen wurden in den letzten sieben Tagen an deutschen Grenzen abgewiesen. Dreißig davon vermutlich, weil sie den Bahnsteig verpasst hatten oder keinen gültigen Fahrschein vorweisen konnten.
Gleichzeitig verzeichnete das BAMF über 1500 neue Erstanträge auf Asyl. Man könnte meinen, die „Festung Deutschland“ habe eine Schiebetür statt eines Tores – nur für den Pressetermin kurz geschlossen, danach wieder auf Durchzug gestellt.
Natürlich ließ die AfD die Gelegenheit nicht ungenutzt, um Dobrindt zu belehren. Er sei „zu weich“, nicht konsequent genug. Man vermisste fast den Moment, in dem ein AfD-Abgeordneter aufstand, um Dobrindt symbolisch den Generalschlüssel zur EU-Außengrenze zu überreichen – inklusive Begleitschreiben von Viktor Orbán.
Dobrindt wiederum hielt stand – mit jener Mischung aus grantelnder Bierzelt-Rhetorik und bayerischer Stoik, die jedem Faktencheck das Wasser abgräbt. Die Kritik? „Ideologisch motiviert.“ Die Zahlen? „Nicht das ganze Bild.“ Die Realität? Offenbar nicht regierungsrelevant.
Und Kanzler Merz? Der nickte pflichtbewusst, während irgendwo zwischen CDU-Parteizentrale und BILD-Redaktion jemand leise das Wort „Zeitenwende“ erneut zu Tode kaute.
Bleibt die Frage: Was ist also die „Migrationswende“ in Woche eins? Ein PR-Gag mit Bundesadler-Stempel? Eine Verwaltungstatistik im Urlaub? Oder schlicht die politische Version eines „Sie sind hier falsch, bitte wenden Sie hinter der nächsten Wahlurne“?
Fest steht: Wenn Dobrindt das Tempo beibehält, hat er bis Weihnachten knapp 1.500 Menschen zurückgewiesen. Leider aber nur, wenn niemand kommt, der gleichzeitig einen Asylantrag stellt.
Vielleicht wäre es ehrlicher gewesen, nicht von einer „Migrationswende“, sondern von einer „Migrations-Windung“ zu sprechen – einer symbolischen 360-Grad-Drehung, nach der man genau dort steht, wo man vorher war. Nur mit mehr Schlagzeilen. Und einem Blitzerfoto fürs Archiv der politischen Eitelkeiten.