Eine Glosse über Deutschlands größte Meisterdisziplin: das Vertagen.
Es ist offiziell: Der „Herbst der Reformen“ fällt aus. Aber keine Sorge, er kommt wieder – 2026, also bequem drei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl 2029. Genug Zeit also, die dringendsten Baustellen des Landes sorgfältig auf den St. Nimmerleinstag zu verschieben.
Rente? Kein Stress!
Die Rentenkassen pfeifen längst aus dem letzten Loch, die Demografie klopft seit Jahren an der Tür – aber warum sich hetzen? Statt mutiger Schritte zur Stabilisierung heißt es: abwarten und Rentner Tee trinken lassen. Schließlich ist es nur die Altersversorgung von Millionen Menschen. Wenn’s brenzlig wird, kann man ja immer noch einen Arbeitskreis gründen.
Bürgergeld? Kommt Zeit, kommt Geld.
Auch beim Bürgergeld scheint Eile unangebracht. Wer heute im System steckt, darf sich mit Bürokratie-Marathons und absurden Anrechnungsregeln beschäftigen – aber keine Sorge: Die Reformen sind bereits für 2026 vorgemerkt. Bis dahin wird der Papierstapel so hoch sein, dass er vielleicht als zusätzlicher Wärmeschutz in schlecht isolierten Wohnungen dienen kann.
Deutschland – ein Land ohne Probleme
Man könnte fast glauben, Deutschland sei in einer so beneidenswerten Lage, dass es keinerlei Reformbedarf gibt. Die Bahn fährt pünktlich, die Digitalisierung ist Weltspitze (Faxgeräte bald immaterielles UNESCO-Kulturerbe), und die Steuererklärung schreibt sich schon von selbst. Mit einem Wort: Alles läuft! Also warum etwas ändern?
Politische Zeitrechnung
Die eigentliche Logik ist bestechend: 2026 ist nah genug, um Schlagzeilen zu machen, aber fern genug, dass sich niemand heute festnageln lässt. Und wenn die Reformen dann tatsächlich kommen, kann man sie 2029 im Wahlkampf als „historische Meilensteine“ verkaufen – egal, ob sie wirken oder nicht.
Und wir?
Bis dahin dürfen wir Bürgerinnen und Bürger uns in Geduld üben. Denn das ist die wahre deutsche Tugend: Warten auf den Staat. Warten auf die Steuerreform, auf die Energiewende, auf die Digitalisierung – und natürlich auf den sagenumwobenen „Herbst der Reformen“.
Vielleicht erleben wir dann 2026 einen „Frühling der Versprechen“, gefolgt von einem „Sommer der Entwürfe“ – und pünktlich zum nächsten Wahlkampf 2029 endlich den „Herbst der Reformen Reloaded“. Ob es dann wirklich Reformen gibt? Ach, wen interessiert’s: Hauptsache, der Slogan stimmt.