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Das Land der „Larmoyanten“

Friedrich Merz, der selbsternannte Oberoptimist im grauen Maßanzug, hat mal wieder zum großen verbalen Schlag ausgeholt. „Hören wir doch mal auf, so larmoyant und wehleidig zu sein“, predigte er kürzlich vor dem Mittelstand in Köln. Larmoyant – ein Wort, das so alt klingt, als hätte es schon Goethe für seine gelangweilten Dinnergäste parat gehabt. Merz allerdings benutzte es nicht in einer französischen Literaturrunde, sondern mitten im Wahlvolk, das sich gerade mit explodierenden Mieten, steigenden Energiepreisen und einer Inflation zum Niederknien herumschlägt.

Der Mann, der „larmoyant“ wie eine französische Dessert-Spezialität ausspricht, scheint der Meinung zu sein: Ein bisschen mehr gute Laune, und schon läuft der Laden. Deutschland – das neue Disneyland.

Tränen der Rührung, Tränen der Ironie

Besonders pikant: Nur wenige Tage vor seinem „Hört auf zu jammern“-Appell stand derselbe Friedrich Merz bei der Wiedereröffnung der Münchner Reichenbach-Synagoge – und weinte. Ja, wirklich. Der harte Mann aus dem Sauerland, sonst so streng wie eine Steuererklärung, wischte sich die Augen. Ein menschlicher Moment, ohne Zweifel. Aber der Kontrast ist köstlich: Wenn Merz weint, ist es ergriffen, wenn die Bürger weinen, ist es „larmoyant“.

Merz darf Gefühle haben, die Deutschen bitte nicht. Der Kanzler als Oberlehrer der Emotionen – einer weint mit Würde, 80 Millionen andere gefälligst still und diszipliniert.

Kein Grund zur Klage – außer, man lebt hier

Merz’ Botschaft klingt ungefähr so: Liebe Bürgerinnen und Bürger, hört auf zu jammern! Schließlich gibt es gar keinen Grund dazu.

  • Die Wirtschaft schwächelt? Ach was.
  • Wohnungen unbezahlbar? Pillepalle.
  • Stromrechnung doppelt so hoch wie vor drei Jahren? Reine Einbildung.
  • Der Wocheneinkauf kostet ein halbes Monatsgehalt? Ja, aber lächeln Sie doch mal!

Während also in deutschen Küchen Taschenrechner als Haushaltshelfer neben dem Kochlöffel liegen, doziert der Kanzler, man solle sich weniger „anstellen“. Das ist, als würde ein Bademeister jemanden, der ertrinkt, anschreien: „Schwimm gefälligst fröhlicher!“

Fazit: Das Land der stillen Tränen

Am Ende bleibt ein schillernder Widerspruch: Der Kanzler, der selbst Tränen vergießt, findet seine Bevölkerung zu tränenreich. Vielleicht sollte Friedrich Merz in seiner nächsten Rede gleich vorschlagen, Tränen steuerlich abzusetzen. Dann hätten wenigstens alle was davon.