Vorfreude auf die Raute

Deutschland taumelt vor Freude – Merkel kehrt zurück, um den Messias zu sehen

Berlin, der 6. Mai – ein Tag, der schon jetzt in die Geschichtsbücher eingehen wird – direkt zwischen dem Mauerfall und dem ersten „Wetten, dass..?“-Comeback. Denn: Angela Merkel, die personifizierte Raute der Vernunft, kehrt zurück! Nicht etwa, um das Land noch einmal aus einer Krise zu retten, sondern – Trommelwirbel! – um auf der Ehrentribüne Platz zu nehmen. Ja, da sitzt sie dann, ganz still, ganz würdevoll, und beobachtet, wie Friedrich Merz tatsächlich Bundeskanzler werden soll. Friedrich. Merz.

Man spürt es bereits in den Fußgängerzonen, in den Biergärten, in den Staubschichten der Büroflure: Deutschland ist außer sich vor Freude. Fahnen werden gehisst, Sektkorken knallen, irgendwo in Bielefeld spielt ein Alleinunterhalter „Ode an die Freude“ auf dem Akkordeon. Endlich, endlich ist der Tag gekommen, auf den das Volk 20 Jahre lang nicht gewartet hat – aber Friedrich hat es trotzdem geschafft. Friedrich der Erste, König der Aktienoptionen, Schlichter der Mittelstandsseele, Hüter des Bierdeckel-Steuerrechts.

Während Merkel still beobachtet – wahrscheinlich im Geiste Sudoku spielend – schleppt sich Olaf Scholz derweil als geschäftsführender Kanzler über die Ziellinie seiner Amtszeit. Man munkelt, er habe selbst erst durch einen Kalenderhinweis erfahren, dass heute die Kanzlerschaft endet. So still war sein Abgang, dass selbst die Presseabteilung des Kanzleramts fragte: „Macht der überhaupt noch was?“

Und dann: Schloss Bellevue. Der Ort, wo Träume wahr werden – oder zumindest gedruckt und in eine Mappe gesteckt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der große Zeremonienmeister der gepflegten Langeweile, überreicht Merz die Ernennungsurkunde. Ein Akt von solcher Dramatik, dass im Hintergrund vermutlich ein Saxophonspieler leise „Wind of Change“ spielt – rückwärts.

Und nun? Nun jubelt das Land. Die Umfragewerte? Egal. Die politische Richtung? Hauptsache, sie zeigt irgendwie „nach vorne“. Deutschland freut sich! Friedrich Merz ist da! Und wenn er nicht regiert, dann referiert er halt – über Leistungsbereitschaft, Ordnung, und warum er Steuererklärungen sexy findet.

Merz – die Zukunft, nach der sich niemand gesehnt hat, aber die wir jetzt einfach mal durchziehen.