Koalition auf Diät: Reformchen statt Reformen

Berlin – Im Kanzleramt wurde am Dienstagabend wieder einmal große Politik inszeniert. „Neustart nach der Sommerpause“, „Herbst der Reformen“ – so die Parolen, die nach außen schallten. Drinnen aber gab’s statt Feuerwerk vor allem lauwarme Luft und zwei Bier zum Versöhnen.

Bullshit mit Soße

Bärbel Bas hatte sich zuvor noch einen seltenen Ausrutscher in Richtung Ehrlichkeit erlaubt: Sie nannte die Mär vom „nicht mehr finanzierbaren Sozialstaat“ schlicht „Bullshit“. Ein Wort, das in Berlin so selten fällt, dass man es fast schon für einen außenpolitischen Zwischenfall halten könnte. Doch statt das Tabu zu feiern, wurde schnell geglättet: Bas und Merz tranken Bier, duzten sich, und alles war wieder gut. Willkommen in der großen Koalition der weichen Kissen.

Reformchen fürs Volk

Offiziell ist jetzt „Reform“ angesagt – aber nur, wenn man das Wort großzügig definiert. Beim Bürgergeld sollen „Missbrauchskontrollen“ kommen. Was das heißt? Vermutlich mehr Formulare, längere Schlangen beim Amt und neue Software, die nie funktioniert. Einsparungen von „ein bis zwei Milliarden Euro“ kündigt Bas an. Merz möchte lieber gleich fünf. Was sind schon ein paar Milliarden Differenz, wenn man das Etikett „Reform“ draufklebt?

Industrie first, Sozialstaat später

Während Bürgergeld-Empfänger*innen auf strengere Kontrollen warten, werden für Stahl- und Autokonzerne Gipfel im Kanzleramt vorbereitet. Dort wird man dann „gemeinsam durch die Krise navigieren“. Klingt nach Wirtschaftskrise, fühlt sich aber eher nach „Wir retten mal wieder die Großen“ an. Sozialpolitik bleibt da das Nebengericht – lauwarm serviert und mit dem Hinweis, dass die Küche bald schließt.

Das große Theater

Das Schönste am Abend war die Harmonie-Inszenierung: Merz und Bas Schulter an Schulter, nach „Bullshit“ und Bier, wie ein frisch versöhntes Ehepaar nach einem Ehestreit um den Abwasch. Markus Söder sprach derweil vom „Herbst der Kraft“. Wenn man die Kraft daran misst, wie energisch man über Einsparungen redet, aber wie zaghaft man sie tatsächlich durchzieht, dann ist diese Koalition eine wahre Kraftmaschine – eine Heißluftturbine.


Fazit

Der Koalitionsausschuss vom 3. September 2025 hat gezeigt: Wer große Reformen erwartet, bekommt kleine Korrekturen. Wer klare Worte hören will, kriegt sie nur versehentlich („Bullshit“). Und wer glaubt, der Sozialstaat werde verteidigt, sollte sich besser schon mal auf neue Antragsformulare einstellen.

Willkommen im „Herbst der Reformchen“ – serviert mit Bier, Du-Wort und einer ordentlichen Portion politischem Schaumschlägerei.