Washington, Oval Office – Es war das erste Treffen zwischen Bundeskanzler Friedrich Merz und dem wiedergewählten US-Präsidenten Donald Trump – und es hätte auch gut ein höflicher Smalltalk in einer Flughafenlounge sein können. Denn der deutsche Kanzler durfte insgesamt sagenhafte 3 Minuten und 50 Sekunden sprechen. Eine Leistung, die man sonst nur aus Speed-Dating-Formaten oder aus Talkshows kennt, in denen Markus Lanz gerade zur Pointe ansetzt.

Alle durften reden – außer Fritz.
Ein Geschenk mit Bart – oder besser: mit BILD
Um seinem amerikanischen Gegenüber die deutsche Heimat etwas näherzubringen, überreichte Merz feierlich die Geburtsurkunde von Trumps Großvater aus Kallstadt – ein Gag-Geschenk mit Lokalkolorit. Peinlich nur: Dieses Dokument hatte der damalige BILD-Chefredakteur Kai Diekmann Trump bereits im Januar 2017 überreicht. Ob Merz es einfach bei eBay gefunden oder aus dem Springer-Archiv ausgeliehen hat, bleibt unklar. Trump nahm es mit demonstrativer Gleichgültigkeit entgegen – vielleicht, weil er dachte, es sei ein neues Werbegeschenk von „Ancestry.com“.
Themen? Welche Themen?
Während Trump den Ukraine-Krieg als Streit von „zwei Kindern im Sandkasten“ verharmloste und über NATO-Beiträge fabulierte, blieben drängende Themen wie Meinungsfreiheit, die transatlantischen Handelszölle oder gar ein klares Wort zur AfD gänzlich unerwähnt. Vielleicht, weil man Merz im Raum akustisch nicht richtig verstand – oder weil Trump schlicht keine Fragen stellte.
Der Eindruck: Merz auf Kuschelkurs
Statt Kante zu zeigen oder ein rhetorisches Statement zu setzen, wirkte Merz wie ein Klassensprecher beim Elternabend der Weltpolitik: bemüht, freundlich, aber letztlich überfordert. Seine Stimme? Kurz. Sein Auftreten? Dünn. Seine Wirkung? Irgendwo zwischen Praktikant und Kanzler-Darsteller.
Fazit:
Friedrich Merz reiste mit großen Erwartungen in die USA – und kehrte mit einem leicht zerknitterten Duplikat einer Geburtsurkunde zurück. Er ließ Themen aus, schwieg zu Kontroversen und überließ das Rampenlicht dem US-Präsidenten. Wer einen souveränen Auftritt des Kanzlers erwartet hatte, wurde mit einem PR-Besuch voller Phrasen abgespeist.
Trump, so viel ist sicher, wird sich an diesen Besuch kaum erinnern. Und wenn doch, dann vielleicht an das Gefühl, eine Urkunde doppelt geschenkt bekommen zu haben – und an einen deutschen Kanzler, der sich höflich bedankte, bevor er wieder verschwand.